Rolle vorwärts

Rolle vorwärts

Organigramme allein genügen nicht: Wie HR-Abteilungen agiles Arbeiten wirklich voranbringen können.

„Wie bekommen wir die Digitale Transformation bei uns endlich hin?“, „Wie definiert man eigentlich Rollen?“ und „Was wird dann aus den Stellen, die wir bisher hatten?“ – Vor solchen Fragen stehen Deutschlands HR-Abteilungen heutzutage. Sie sind, genauso wie die Organisationsentwicklung, in der Pflicht, wenn es darum geht, Konzerne und Unternehmen des führenden Mittelstands fit für die Digitale Transformation zu machen. Doch es gibt gleich mehrere Gründe, die ihnen das erschweren. 

Alte Strukturen: alte Zöpfe

In vielen Unternehmen, insbesondere in Konzernen, finden wir noch immer die klassischen Hierarchiestrukturen, mit Fach- und Führungskarrieren. Oft hängen daran die entsprechenden Bewertungs-, Belohnungs- bzw. Gratifikationssysteme. Das alles läuft so seit Jahrzehnten, geliebte Routinen. „Warum müssen wir jetzt unbedingt „agil“ werden?“, ist dementsprechend auch eine häufig gestellte kritische Frage in unseren Workshops.

Die gute Nachricht vorweg: Es muss ja gar nicht überall in neuen Rollenmodellen gearbeitet werden. In Bereichen, wie im Finanzwesen etwa, greifen Führungskräfte nach wie vor auf klassische Modelle zurück. Gemeinsam mit unseren Kunden schauen wir uns genau an, wo agile Neuerungen Sinn machen – fast immer gilt das im Bereich Entwicklung. Hier gehört agile Arbeit mit verteilten Rollen unbedingt hin. 

Nicht lange theoretisieren – einfach loslegen

Um Veränderungen möglichst schnell anzugehen, helfen aber weder Organigramme noch lange Power-Point-Präsentationen. Stattdessen bewährt sich der Sprung ins kalte Wasser: gemeinsame erste Workshops mit sogenannten Design Sprints. Teams von maximal 15 Personen entwickeln zusammen ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung – in nur fünf Tagen. Dazu bekommen sie gleich auch die nötige Methodik mit an die Hand, etwa für die Arbeit als Scrum Master oder Product Owner. 

Die Reaktionen im Team sind für uns jedes Mal ein tolles Erlebnis. Die große Mehrheit der Teilnehmenden ist ehrlich begeistert: „Wow! So möchte ich arbeiten!“, hören wir oft. Die Leute sind total überrascht, wie gut sie gemeinsam, crossfunktional, ohne gelernte Hierarchien und mit Spaß vorankommen – und vor allem eine Menge schaffen. Wir begleiten die Teams bei diesen ersten Schritten und legen mit ihnen den Grundstein, um ganze Organisationen zu verändern. Das spricht sich schnell auch im Unternehmen herum. Nicht selten bekommen HR-Abteilungen von Dritten im Anschluss die Rückmeldung: „Ich will da mitmachen! Ich will auch so eine Rolle!“

Führungskräfte sind besonders gefordert

Wir empfehlen Personalverantwortlichen: Hauptsache loslegen! Aber dabei auf Liveerlebnis und Austausch setzen, anstatt langatmige Frontalvorträge über Change Management abzuhalten. Denn wenn man Transformation in der Praxis erlebt und selbst mitgestaltet, dann wird der Prozess geradezu greifbar. Insbesondere für Führungskräfte ist es entscheidend, Vorbehalte abzubauen und mit anderen vertrauensvoll auch über die eigenen Sorgen und Ängste zu sprechen. „Ich will meine Macht nicht verlieren!“, ist da eine Befürchtung, die viele umtreibt.

Das ist vermutlich die größte Herausforderung im Umgang mit den neuen Strukturen überhaupt: loslassen zu können und Macht ebenso wie Verantwortung auch einmal abzugeben. Agile Rollen sind nun mal hierarchisch viel flacher als die vertrauten Stellen mit den entsprechenden Karrierestrukturen. Dennoch vereint eine Rolle aus meiner Sicht sowohl Fach- als auch Führungsfähigkeit. Ein Scrum Master etwa muss Hindernisse aus dem Weg räumen, vermitteln und für guten Informationsfluss zwischen Product Owner und Team sorgen. Ohnehin sind Klarheit, Transparenz und Offenheit gefragt. Und: Es braucht echten Mut, um Prozesse im Falle des Falles auch abbrechen zu können – „Fast Fail“ lautet hier das Stichwort. All diesen Anforderungen sollten auch veränderte Belohnungs- und Gratifikationssysteme Rechnung tragen.

Rollentausch: ganz oder gar nicht

Führungskräfte stecken oft noch in einem ganz anderen Dilemma: ihre Doppelrolle. Einerseits sind sie zum Beispiel als Product Owner in der agilen Welt unterwegs, wollen aber andererseits in der klassischen Welt noch immer als Teamleiter*in ansprechbar sein. Das kann nicht klappen! Unserer Erfahrung nach wird bei der Transformation der volle Einsatz gebraucht – da helfen auch keine 50:50- oder 70:30-Zwischenlösungen. Der Führungsjob sollte in agilen Phasen hintenanstehen, auch hier heißt es loszulassen. Hier muss auch die HR mitdenken: Führungskräfte brauchen die entsprechende Entlastung, damit sie sich voll auf ihre agile Arbeit konzentrieren können. 

Wir alle können von den großen Playern wie Tesla, Amazon oder PayPal lernen. Sie haben Software längst „first“ gestellt. Selbst das Management tritt hinter das Produkt zurück – keine Kompromisse. In deutschen Konzernen hingegen stand meist viel zu lange das Handwerk im Vordergrund, etwa das Autobauen. Inzwischen wird auch hierzulande umgedacht: Software, Plattformen und Dienstleistungen rücken in den Fokus – die DNA verändert sich in vielen Unternehmen gerade radikal.

Starke Partner und Netzwerke helfen

Klar ist auch: HR-Abteilungen können diese Mammutaufgabe nicht alleine lösen. Und nur „ein bisschen Agilität“ oder „mal das Manifest herunterladen“ führen schnell wieder zum Stillstand. Gefragt sind stattdessen Kontinuität, eine durchdachte und langfristige Umsetzung – die in Konzernen durchaus ein bis eineinhalb Jahre dauern kann – sowie vor allem die Vermittlung von Wissen. Denn viel zu oft fehlt es meiner Meinung nach an Informationen. Und wer zu wenig weiß, kann keine Perspektiven entwickeln.

Der Weg in die Digitale Transformation kann steinig werden und erfordert mitunter langen Atem. Doch niemand muss ihn allein gehen. Wichtige Hilfe kommt von überzeugten Befürworter*innen im Betrieb sowie durch Netzwerke und Sparringspartner, die für den entsprechenden Erfahrungsaustausch sorgen. Wer dann obendrein noch einen kompetenten Schulungspartner an seiner Seite hat, muss sich um die eigene Zukunftsfähigkeit keine ernsten Sorgen mehr zu machen.

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