03 Feb Soziale Nachhaltigkeit: Das sollten Unternehmen umsetzen
Soziale Nachhaltigkeit: Das sollten Unternehmen umsetzen
Sprechen wir über Sustainability stehen aktuell eher die „grünen“ Themen wie Umwelt- und Klimaschutz im Vordergrund, doch wir dürfen die sozialen Komponenten nicht vergessen: Neben fairen globalen Wertschöpfungsketten gehören dazu auch Sozialfaktoren in den Unternehmen – etwa an den Arbeitsplätzen hierzulande. Ich stelle daher drei wesentliche Faktoren des täglichen Zusammenarbeitens vor, die Unternehmen in den Fokus nehmen können, wenn sie beim Thema soziale Nachhaltigkeit Fortschritte machen möchten.
Das Thema Nachhaltigkeit ist völlig zu Recht in den vergangenen Jahren und Monaten stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt als je zuvor. Da dies jedoch vorrangig unter dem Druck der sich stetig zuspitzenden Klimakrise und globalen Ressourcenverknappung geschieht, stehen dabei bislang vor allem ökologische und ökonomische Aspekte im Vordergrund. Doch eine ganzheitliche Betrachtung von Nachhaltigkeit muss immer auch die soziale Dimension des Begriffs berücksichtigen – und daher ganz gezielt zwischenmenschliche Wertanforderungen wie Gerechtigkeit und Chancengleichheit einbeziehen.
Nachhaltigkeit muss sozial und fair sein
Nicht umsonst umreißen auch die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN neben Umwelt- und Wirtschaftsindikatoren ganz wesentliche soziale Leitlinien für das globale Zusammenleben. Darunter sind beispielsweise: Gesundheit und Wohlergehen für alle Menschen auf der Welt, Geschlechtergleichheit oder der Zugang zu hochwertiger Bildung für alle. Und genau das ist der Punkt: Die Globalisierung hat unsere Lieferketten und Wirtschaftsbeziehungen buchstäblich über den gesamten Globus ausgeweitet, daher müssen wir auch bei der Nachhaltigkeitstransformation eine ganzheitliche, globale Perspektive ansetzen – alles andere wäre unsolidarisch und inkonsequent. Von einem nachhaltigen Produkt zu sprechen, wenn dieses zwar mit grünem Strom, aber auf Kosten der Lebensqualität von Menschen entstanden ist, wäre absolut widersinnig. Das kann schlichtweg nicht unser Anspruch sein.
Und obwohl die globale Perspektive wichtig ist und der Handlungsbedarf vielen hier sicher mehr ins Auge springt, sollten wir auch direkt vor unserer eigenen Haustür noch nachbessern. „In einem Sozialstaat wie Deutschland haben wir das doch alles längst auf dem Schirm,“ könnte man meinen. Leider stimmt das so nicht. Klar, in einem gut entwickelten und wirtschaftlich vergleichsweise starken Land wie Deutschland sind wir bei sozialen Themen vielfach auf einem guten Weg – aber noch längst nicht am Ziel. 2020 kam das Weltwirtschaftsforum (WEF) beispielsweise zu dem Schluss, dass Deutschland hinterherhinge, wenn es um soziale Aufstiegschancen geht. Größte Hürden seien demnach Ungleichheiten bei Bildungschancen, mangelnder Zugang zu Technologie sowie Schwächen in der Lohngerechtigkeit. Erst kürzlich untersuchte zudem eine Bertelsmann-Studie das Armutsrisiko und fand heraus, dass in Deutschland mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene von Armut bedroht ist. Das zeigt doch eindeutig, dass auch hierzulande noch lange nicht alle über die gleichen Chancen und Zugänge zu einem sicheren Lebensstandard verfügen. Was heißt das nun aber für Unternehmen?
Externe und interne Faktoren: Lieferkette vs. Unternehmenskultur
Wer soziale Nachhaltigkeit voranbringen möchte, muss Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Aus meiner Sicht können Unternehmen dabei zwei zentrale Themenfelder unterscheiden, bei denen transparentes und verantwortungsvolles Handeln gefragt ist: soziale Nachhaltigkeit in Bezug auf die Handels- und Produktionskette und soziale Nachhaltigkeit innerhalb der Unternehmensorganisation.
Das Themengebiet faire Herstellungs- und Handelsbedingungen haben viele Unternehmen bereits auf der Agenda – u.a. wegen immer strengerer gesetzlicher Vorgaben. So regelt das am 1. Januar in Kraft getretene Lieferkettenschutzgesetz erstmals gezielt die unternehmerische Verantwortung zur Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten. Es gilt zunächst für Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 2024 aber auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmenden im Inland. Ein Kernelement der im Gesetz geregelten Pflichten ist ein passendes Risikomanagement, um die Risiken von Menschenrechtsverletzungen und Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren. Wenn diese Pflichten missachtet werden, kann das mit bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes als Strafe belegt werden.
Das Thema Unternehmenskultur nimmt natürlich ganz andere Bereiche in den Fokus. Hier spielen u. a. angemessene und faire Löhne und Gehälter, aber auch die Personalentwicklung und das tägliche Miteinander – eben die Kultur – eine Rolle. Im Kern geht es um die Frage, wie ein faires Arbeitsklima, in dem sich alle ihren Stärken entsprechend einbringen und entwickeln können, entstehen kann, um die Organisation „nachhaltig“ voranzubringen.
Drei Aspekte sozialer Nachhaltigkeit, die Teil jeder Unternehmenskultur sein sollten:
Für alle, die sich fragen, mit welchen Aspekten man hier vorangehen kann, möchte ich drei Bereiche näher erläutern, die sich im Sinne sozialer Nachhaltigkeit in Organisationskulturen wiederfinden sollten:
- Chancengleichheit mit einem Fokus auf Geschlechterneutralität
Jedes Unternehmen sollte dafür Sorge tragen, dass alle Mitarbeitenden innerhalb ihres Aufgabenbereiches die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten haben. Daher muss etwaige Benachteiligung aufgrund der Geschlechteridentität strikt unterbunden werden. Das schließt sowohl die Themen Lohngleichheit, Elternschaft und die Vereinbarkeit von Job und Familie, aber auch die generelle Sichtbarkeit von Frauen und ihren Zugang zu Führungspositionen sowie Gender Identity mit ein. Zu diesem Zwecke gibt es in Unternehmen bereits Gleichstellungsbeauftragte und auch die Betriebsräte, die sich für die Rechte der Belegschaft einsetzen. Ganz unterbunden haben wir Geschlechterdiskriminierung in der deutschen Wirtschaft meiner Meinung nach aber noch längst nicht. Und speziell das Thema Identität muss vielerorts noch mehr Beachtung finden, damit auch trans- oder nichtbinäre Personen vor Diskriminierung geschützt werden und ein sicherer Arbeitsplatz mit gleichen Chancen für alle entstehen kann.
- Recht auf hochwertige (Weiter-)Bildung
Und wenn es um Chancengleichheit geht, muss unbedingt auch das Thema Bildung – und im betrieblichen Kontext eben Weiterbildung – betrachtet werden. Denn es ist einer der zentralen Hebel, um Menschen sowohl Arbeitsplatzsicherheit als auch faire Aufstiegschancen zu ermöglichen. Besonders in Zeiten eines sich rapide verändernden Arbeitsmarktes – und sich damit ebenso verändernder Anforderungen – gehört aktives und faires Bildungs- und Skills-Management auf die Agenda eines jeden Unternehmens. Qualifizierungsangebote sind das beste Mittel, um die Belegschaft flächendeckend und diskriminierungsfrei dabei zu unterstützen, das eigene Tätigkeitsprofil zu schärfen und diese langfristig in Beschäftigung zu halten. Wird berufliche Bildung zudem vom Arbeitgebenden für die gesamte Belegschaft und vereinbar mit der angeboten, so werden auch all jene unterstützt, die es sich finanziell oder zeitlich nicht leisten könnten, privat in Weiterbildung zu investieren.
- Recht auf Gesundheit und Wohlergehen
Das Thema Gesundheit ist im Arbeitskontext sicherlich nicht neu, schließlich gibt es zu verschiedenen Tätigkeitsprofilen passende Arbeitssicherheitsbestimmungen in jedem Unternehmen. Viele Organisationen haben für sich den Bedarf zu weiteren gesundheitsförderlichen Maßnahmen erkannt und möchten ihre Teams mit betrieblichen Sportprogrammen von Yoga bis Crossfit oder aber gesunder Verpflegung unterstützen. Darüber hinaus sind auch speziell auf die mentale Gesundheit ausgerichtete Angebote und Praktiken eine enorme Wertsteigerung für die Unternehmenskultur: Dies kann von einem innerbetrieblichen Coaching- und Gesprächsangeboten über flexibel einsetzbare „Personal Care Days“ bis zu Zuschüssen für Therapieplätze reichen. Hier halte ich es für ratsam in den Austausch mit Vertreter:innen der Belegschaft zu gehen und individuell zu prüfen, was Teams am besten unterstützt.
Ich hoffe, ich konnte eines klarmachen: Soziale Nachhaltigkeit geht uns alle an. Und zum Glück findet sie vielfach unterbewusst schon einige Berücksichtigung in Organisationen – da sie sich in großen Teilen mit grundlegenden Anforderungen an ein faires Miteinander im Arbeitsalltag deckt. Damit sie sich wirklich vollends in den Unternehmenskulturen entfalten kann, ist aber genau jetzt der richtige Zeitpunkt, zu prüfen, welche Handlungsfelder in puncto Social Sustainability noch bestehen – und wo aktiv nachgeschärft werden kann. Let’s make work work for everyone!