Leuchtschrift Everything is going to be alright

No business as usual: Wie Führungskräfte ihre Teams in kritischen Zeiten unterstützen können

No business as usual: Wie Führungskräfte ihre Teams in kritischen Zeiten unterstützen können

Corona-Pandemie, Klimakrise und Ukrainekrieg – die globale Krisendichte hat in den vergangenen zwei Jahren enorm zugenommen. Das wirkt sich auch auf die kollektive mentale Gesundheit aus. Wie sollen wir im beruflichen Kontext mit dem Zustand einer Dauerkrise umgehen, damit sich möglichst niemand alleingelassen fühlt? Ich habe drei praktische Tipps formuliert, mit denen Leader ihre Teams besser durch kritische Situationen führen können.

Das Thema mentale Gesundheit hat in den vergangenen zwei Jahren wohl mehr Beachtung erhalten als je zuvor und einer der Gründe dafür dürfte sein, dass noch mehr Menschen durch eigene Betroffenheit Redebedarf haben. Denn selbst geflügelte Worte wie „new normal“ konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einer virusgeplagten Gesellschaft einfach gar nichts mehr normal war – und auch längst noch nicht wieder ist. Isolation, Angst vor Ansteckung oder extreme Mehrfachbelastung in Familien, wenn die Kinderbetreuung wegfällt – wir alle wissen, was die großen Treiber psychischer Belastungen durch Covid sind. Nun ist aber die pandemische Lage nicht die einzige Krise, der wir uns in diesen Tagen ausgesetzt sehen.

Vor dem Virus war bereits eine andere auf dem Vormarsch: die Klimakrise. Zwar zeigt sie durch extreme Wetterphänomene auf dem gesamten Globus auch erst seit Kurzem ihre dramatischen Folgen so stark, dass man sie nicht mehr ignorieren kann – doch sind wir mal ganz ehrlich: Klimaforschende warnen uns bereits seit Jahren vor dem, was nun immer schneller über uns hereinzubrechen droht, wenn wir nicht entschieden handeln. Und ganz aktuell beschäftigt die meisten Menschen in Deutschland auch noch die Kriegssituation in der Ukraine: eine extreme humanitäre und in zweiter Instanz eben auch weltwirtschaftliche Krise. Was soll man da noch beschönigen: Wir stolpern seit zwei Jahren gefühlt von einer in die nächste Megakrise. Wichtig ist, dass wir das nicht kleinreden – denn nur wenn wir uns das bewusst machen, können wir auch Strategien entwickeln, damit adäquat umzugehen und Menschen, die dabei Unterstützung brauchen, genau diese zukommen lassen.

Mein Eindruck: Viele Menschen sind in einer Art Survival-Modus

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch der aktuelle Axa Mental Health Report: Der Umfrage zufolge war mehr als jede:r zweite Deutsche in den vergangenen Monaten unglücklich und sogar 59 Prozent der Befragten gaben an, nicht mehr richtig abschalten zu können. Unter den Nachwuchskräften sind weitere Zahlen alarmierend: Ganze 60 Prozent der 18- bis 34-Jährigen zeigten ein mäßiges bis sehr hohes Depressionslevel. Ein nicht zu unterschätzender Treiber ist das sogenannte Doom-Scrolling, bei dem man sich auf der Suche nach aktuellen Informationen über Krisenlagen mit dem Smartphone immer tiefer in einen Strudel aus schlechten Nachrichten navigiert. Was ein Versuch ist, der eigenen Ohnmacht mit möglichst viel Wissen die Kraft zu nehmen – weil man sich immerhin gut informiert fühlt – verschlimmert das Ganze meist nur. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich so viele Menschen wie nie zuvor am Rande der eigenen Leistungsfähigkeit bewegen. Und doch kommen die meisten von ihnen nach wie vor zur Arbeit und erledigen das, was von ihnen erwartet wird – so gut und solange sie eben können. Die Quittung kommt ganz sicher, es ist nur eine Frage der Zeit. Sie heißt nicht selten Burn-out-Syndrom oder Angststörung.

Was wir immer, aber besonders in Krisenzeiten brauchen: Empathische Führung

Gerade, wenn die äußeren Umstände immer stärker an die mentale Substanz gehen, wie wir es aktuell erleben, ist es wichtig, das Personalverantwortliche ihren Mitarbeitenden ehrliche und empathische Unterstützung bieten. Gemeint sind dabei einerseits die nötige Klarheit, Struktur und Orientierung aber auch ein gewisses Auffangnetz aus Verständnis und Menschlichkeit. Wir brauchen in einer Krise zwar Leader mit guten praktischen Management Skills, um zu priorisieren und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Wir brauchen aber eben auch Leader, die sich der menschlichen Komponente des Jobs annehmen und ihren Teams deutlich signalisieren: Das hier ist eine Ausnahmesituation und wir sind keine Maschinen, sondern echte Individuen mit Emotionen – und das ist kein Problem.

Viele Entscheider:innen denken, wenn sie so einen Satz lesen, vielleicht: Das versteht sich doch von selbst – meine Leute sind smart genug, ich muss denen das nicht sagen. Doch! Denn Krisen führen zu jeder Menge Verunsicherung und dadurch vergessen wir vieles, was uns unter normalen Umständen präsent wäre. Und selbst wenn sie annehmen, dass dies die Leitlinie ihrer Vorgesetzten ist, trägt so eine klare Einordnung bei allen Beteiligten zu einem besseren Gefühl bei – da bin ich mir sicher. Wichtig ist überdies, genau so ein Mindset unabhängig von Ausnahmesituationen fest im Arbeitsalltag zu verankern und durch die täglichen Verhaltensweisen immer wieder für alle im Team sichtbar zu machen. Das liefert eine Basis, mit der Teams gemeinsam deutlich besser durch kritische Zeiten kommen.

 

Führung lebt auch von Fürsorge: Drei Tipps für ein krisenfesteres Team

Ich habe hier einmal drei solcher Verhaltensweisen, mit denen Führungskräfte eine gesunde Vertrauenskultur im Team aufbauen können, zusammengefasst.

  1. Eine offene Kommunikation zu Sorgen und Problemen frei von Repressalien Druck etablieren:

Macht klar, dass eine persönliche Krise oder Überforderung keinen Karriereknick hervorrufen muss – zu viele Menschen haben Angst, dass ihnen ein Eingeständnis jeglicher Form von Überlastung im nächsten Personalgespräch vorgehalten wird. Und gebt in diesem Zusammenhang auch echten Raum für Sorgen und Nöte: Haltet euch nicht nur mit Phrasen wie „meine Tür steht euch immer offen“ über Wasser. Stattdessen geht aktiv auf Leute zu, bei denen ihr das Gefühl habt, dass sie Unterstützung brauchen, und bietet ihnen Hilfe an. Oder macht auch in Teammeetings regelmäßige Mental-Health-Check-Ins per Handzeichen: Daumen hoch, mittig oder runter. Dann werden sich Mitarbeitende mit viel mehr Selbstverständlichkeit öffnen und anvertrauen, wenn ihnen tatsächlich etwas auf der Seele brennt.

  1. Realistisches Erwartungsmanagement betreiben und ganz klar priorisieren:

Als direkte Konsequenz einer offenen Kommunikation über Sorgen und Überlastungen muss sich auch die grundsätzliche Erwartungshaltung zur Leistungsfähigkeit anpassen. Kurz gesagt: Cut your team members some slack. Priorisiert klar und schiebt Dinge, die wirklich nicht sofort erledigt werden müssen, gemeinsam auf die Wartebank. Sätze wie „Das schaffe ich heute nicht, ich kümmere mich gerne morgen/kommende Woche darum.“ müssen in Ordnung sein und sollten kein Augenrollen hervorrufen. Schraubt besonders in Krisenzeiten eure Erwartungen an euch selbst und eure Kolleg:innen einen Ticken runter und macht klar, dass dann kein Business as usual notwendig ist. Hier helfen auch Regeln und Vereinbarungen wie: Externe E-Mails werden innerhalb von 24 Stunden beantwortet, interne innerhalb von 48 Stunden – sollte es dringender sein, wird das im Betreff vermerkt – oder direkt zum Telefonhörer gegriffen.

  1. Führungskräfte sind Vorbilder – bei sich selbst anfangen:

Auch wenn es schwerfällt, so sind Führungskräfte doch gut damit beraten, wenn sie beim Thema mentale Belastung mit gutem Beispiel vorangehen – und selbst etwa einräumen, wenn sie sich weniger leistungsfähig fühlen. Es geht hier nicht ums Jammern, sondern darum, dass Mitarbeitenden vorgelebt wird, dass sie im Unternehmen in erster Linie Mensch sein können. Gebt also auch mal eigene Schwächen zu – dabei muss man auch nicht zu persönlich werden, wenn man das nicht möchte. „Mir geht die Situation in der Ukraine nahe und ich kann mich aktuell schlechter konzentrieren – geht es euch genauso?“ kann einen Dialog zum Thema eröffnen, der sonst nicht zustande käme.

Was mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist: Psychische Überforderung und mentale Krisen können jede:n treffen – egal welches Alter und welche Berufsgruppe. In meinem Podcast Beyond Tomorrow hatte ich u. a. den ehemaligen adesso-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Striemer zu Gast, der mit mir ganz offen über Ängste und Depressionen sprach. Ich bin dankbar für sein Vertrauen, denn seine Geschichte kann symbolhaft für die vieler Menschen stehen, die sich nicht oder erst viel zu spät trauen, über psychische Probleme und Überlastung zu sprechen und bis zum Zusammenbruch durchziehen – umso wichtiger, dass wir dieses Themenfeld noch aktiver angehen. Denn ganz ehrlich, hier sind alle Führungskräfte und Personalabteilungen der Republik gefragt.

Facebook
Twitter
LinkedIn