Oh snap!: Wie Digitalisierung nicht zur Dauerkrise wird

Oh snap!: Wie Digitalisierung nicht zur Dauerkrise wird

Digitale Transformation kostet – und zwar nicht nur Geld, sondern vor allem Geduld. Denn sie bringt so einige Stolpersteine mit sich, die den schnellen Wandel gehörig ausbremsen können. Davon sollten sich Entscheider:innen allerdings nicht entmutigen lassen. Denn viele Fallstricke der Digitalisierung lassen sich gut vermeiden – oder mit ein paar beherzten Handgriffen auflösen.

Erst kürzlich habe ich hier eine Auswahl der gängigsten Fallen der Digitalisierung vorgestellt und Strategien aufgezeigt, wie man sie vermeidet oder mit ihnen umgeht, wenn man doch einmal hineingetappt ist. Doch es gibt noch zahlreiche weitere Hindernisse, die den digitalen Wandel in Unternehmen erschweren können – und leider von vielen Entscheider:innen als harmlos abgetan werden. Ein fataler Irrglaube, denn jede noch so kleine Falle kann – sofern man sich ihr nicht stellt – früher oder später zu einem massiven Problem werden.

Falle Krisenkompetenz: Digitaler Wandel erfordert das gleiche Feingefühl wie andere Krisen

Eines sollten wir uns alle bewusst machen: Digitalisierung ist Krise. Meist wird sie natürlich als Chance gesehen und wegen großer Potenziale in den Himmel gelobt. Das ist zwar alles richtig, doch ganz so blauäugig dürfen wir uns nicht geben. Auch wenn Digitalisierung Prozesse vereinfachen und beschleunigen kann, ruft die mit ihr verbundene Transformation immer auch kleinere und größere Krisen hervor. Das fängt schon damit an, dass nicht alle beteiligten Kolleg:innen den gleichen Wissensstand haben und einzelne sich abgehängt fühlen können. Dadurch entsteht Frustration. Und wenn sich niemand dieser Frustration annimmt, kocht das Ganze schnell hoch. Mitarbeitende fühlen sich allein gelassen und lehnen den Wandel ab.

Die Lösung: Wie bei jeder erwarteten Krise betrachtet man seine Stakeholder:innen und versetzt sich in ihre Position, identifiziert Krisenpotenziale vorausschauend und arbeitet von Anfang an mit passenden Gegenmaßnahmen. Im Fall des variierenden Wissensstandes sollte man für alle, die mehr Unterstützung mit digitalen Tools brauchen, passende Hilfsangebote erstellen und diese aktiv an die Mitarbeitenden herantragen. Eine Anleitung als PDF hilft da herzlich wenig – besser ist ein individuelles Coaching per Telefon, in dem Digitalneulinge alle ihre Fragen in einem sicheren Rahmen ohne Scham loswerden können. Und wenn es trotzdem knirscht, gilt weiterhin: Krisen ernst nehmen und schnellstmöglich gegensteuern.

Falle Remote Learning: Digital lernen will gelernt sein

Genau solche Krisen können auch beim digitalen Lernen auftauchen: Wer Weiterbildungen remote anbietet, meint vielleicht die Digitalisierung so mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – und droht doch geradewegs in eine weitere Falle zu tappen. Denn Remote Learning kann neben der physischen auch mentale Distanz schaffen. Besonders wenn alle bei den Online-Schulungen ihre Kameras abschalten. Die Interaktion geht völlig über Bord und Trainer:innen wissen überhaupt nicht, wie gut die Teilnehmenden den Inhalten eigentlich folgen können – oft sprechen sie in eine Art schwarzes Loch. Wer nicht mitkommt, traut sich dann meist nicht, die virtuelle Hand zu heben: Die anderen sind ja auch still, ihre Gesichter nicht zu sehen; sicher kommen die besser mit. Diese Distanz senkt die Hemmschwelle, das Lernangebot schlicht und einfach zu ignorieren und mit nur einem Klick endgültig aus der Maßnahme auszusteigen.

Die Lösung: Der persönliche Austausch zwischen den Lernenden untereinander und zu den Trainer:innen ist essenziell für Motivation und Lernerfolg. Die Zauberworte müssen also lauten: aktivieren und involvieren. Frontalunterricht á la Telefonkonferenz hilft hier niemandem weiter. Stattdessen schalten alle ihre Kameras ein und der Austausch wird durch Gruppenaufgaben oder Frage-und-Antwort-Runden gefördert. Das bietet nicht nur passende Abwechslung zu rein informativen Session-Anteilen. Es schafft auch mehr Vertrauen und Nähe in der Gruppe, sodass sich Teilnehmende auch trauen ihre Fragen zu stellen und Hilfe einzufordern.

Falle Kostenhysterie: Wer am falschen Ende spart, zahlt später drauf

Wer Digitalisierung aktiv anpackt und verstanden hat, dass dabei immer auch Weiterbildungs- und Reskilling-Maßnahmen für die Belegschaft nötig sind, kann leicht in die Kostenfalle tappen. Denn natürlich kosten Bildungsmaßnahmen Geld und es mag verlockend sein, die günstigste Lösung am Markt zu nutzen. Gerade in großen Unternehmen werden Budgets von versierten Einkaufs-Abteilungen verwaltet – und die prüfen auf rein wirtschaftlicher Basis. Wer aber nur Preise und Kosten abwägt, statt sich auf die Inhalte und den Nutzen der Bildungsprogramme zu konzentrieren, verschwendet womöglich jede Menge Geld und Zeit. Nichts ist ärgerlicher, als dass sich bei einem günstigeren Angebot am Ende herausstellt, dass die gewünschten Inhalte und echtes Anwendungswissen auf der Strecke geblieben sind. Dann hat man nämlich nicht gespart, sondern zahlt im schlimmsten Fall doppelt.

Die Lösung: In erster Linie sollten beim Vergleich passender Angebote die Inhalte und der wirkliche Nutzen für die Mitarbeitenden – für die es um nicht weniger als ihre berufliche Zukunft geht – im Fokus stehen. Das müssen Personalabteilungen und Digitalentscheider:innen selbst übernehmen. Über Kosten sollte man erst dann verhandeln, wenn die Inhalte stimmen. Und viel interessanter bei diesem Thema: Digitale Weiterbildung und Reskilling werden von der Bundesregierung gefördert. Es lohnt sich also vielfach gar nicht, über Kosten ins Schwitzen zu geraten – diese Zeit und Energie sollte man lieber in die Förderung der eigenen Mitarbeitenden investieren. Denn die Menschen, die Digitalisierung voranbringen sollen, müssen bei allen Transformationsprozessen im Vordergrund stehen.

Wer wissen möchte, welche weiteren Stolpersteine der digitale Wandel bereithält, kann sich in meinem Buch „Die 44 Fallen der Digitalisierung“ zu ihnen und den passenden Lösungen informieren.

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