Digital-Momentum nutzen: Der Reskilling Index 2021 zeigt, wo wir jetzt anpacken müssen

Digital-Momentum nutzen: Der Reskilling Index 2021 zeigt, wo wir jetzt anpacken müssen

Impfquoten steigen, Infektionszahlen sinken – langsam trauen wir uns, an die Zeit nach der Pandemie zu denken. Ganz durchgestanden ist sie wohl noch nicht, aber das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels blitzt auf. Warum es genau jetzt wichtig ist, über die Post-Covid-Arbeitswelt zu sprechen und was wir dabei von Großbritannien lernen könnten. 

Ist die Krise vorbei? Sicherlich nicht. Aber wir erleben gerade eine Aufbruchsstimmung, denn die Zahlen machen Hoffnung. Und während es absolut sinnvoll und notwendig ist, die Folgen der Krise aufzuarbeiten – ich denke an Geschäfte, die Umsatzeinbußen erst einmal wieder reinholen müssen und jede Menge staatliche Unterstützung, die dafür nötig sein wird – so sollten wir unsere Hoffnung und Euphorie durchaus auch auf noch zukunftsgewandtere Themen richten. Denn wenn wir jetzt die Potenziale des Digital-Momentums verschlafen, fällt uns das am Ende auf die Füße.

Während die eine Hälfte der Beschäftigten seit Monaten an Zoom-Fatigue leidet, freute sich die andere, über digitale Tools überhaupt noch soziale Kontakte pflegen zu können. Was allen gemein ist: Sie wissen, dass Digitalisierung aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist und uns weiterhin begleiten wird. Schon häufiger habe ich betont, dass digitale Transformation die Berufswelt in kommenden Jahren nachhaltig verändern wird. Genauso betone ich gerne, dass sich im Zuge dieser Transformation zunehmend ein Qualifizierungsmangel unter den Beschäftigten offenbaren wird. Und diesem Problem begegnen wir am besten mit Reskilling, also der beruflichen Neuqualifizierung der bestehenden Belegschaft – damit diese möglichst nicht vom Stellenabbau getroffen wird. 

Unsere Learnings aus dem Reskilling Index 2021

Mich und meine Kolleg:innen von XU hat interessiert, wie sehr sich die Entscheider:innen in unserem Land bereits mit dem Thema auseinandersetzen. Gemeinsam mit Civey haben wir eine repräsentative Online-Befragung mit Entscheider:innen aus Management und Personalwesen dazu durchgeführt: den Reskilling Index 2021. Ein erstes Fazit sei hier erlaubt: Viele befassen sich mit einem drohenden Stellenabbau, immerhin ein Viertel der Befragten erwartet ihn. Wie ernst Manager:innen und Personaler:innen die Konsequenzen der digitalen Transformation nehmen und angehen, unterscheidet sich jedoch markant. 

Insbesondere der deutsche Mittelstand unterschätzt die Folgen und droht so, Beschäftigte nicht ausreichend für den digitalen Wandel zu rüsten: Nur knapp 30 Prozent der mittelständischen Entscheider:innen sehen Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen durch die Digitalisierung gefährdet. Bei Kleinunternehmen sind es sogar nur 17 Prozent. Dort, wo Reskilling bereits genutzt wird, herrscht vielfach noch ein Hierarchieproblem – 44 Prozent gaben an, dass bisher weniger als die Hälfte der Belegschaft unterhalb der Managementebene in digitalen Kompetenzen qualifiziert wurde. Das sind leider nicht diejenigen, die konkret vom Stellenabbau betroffen sein werden. Es gibt also noch einiges zu tun und ich finde, dass wir damit nicht erst übermorgen loslegen sollten. 

Den Blick schon heute auf die Zukunft richten

Manch eine/r mag sich fragen: Sollte unser Fokus nicht weiter auf der Bewältigung der Coronakrise liegen? Damit haben sie Recht, das sollte mit Sicherheit weiterhin in vielen Bereichen Priorität haben. Nur müssen wir eben auch an die nächsten Jahre und die Zeit denken, wenn wir die Einschränkungen durch das Virus auf ein Minimum reduziert oder gar überwunden haben. Aus meiner Sicht ist es eben nicht zu viel erwartet, dass Politik und Wirtschaftsakteur:innen ihren Blick schon heute auf die nächsten zehn Jahre richten. Um gut aus der Krise zu kommen, ist das sogar essenziell. Wer jetzt verharrt und sich darauf ausruht, dass wir mit Schulunterricht und Besprechungen per Videocall dem digitalen Wandel gerecht würden, dem rate ich ganz dringend, unseren Reskilling Index zu lesen.

Großbritannien macht es vor 

Dass es möglich ist, die Zukunft des Arbeitsmarktes ganz aktuell mitzudenken, bewies die britische Regierung zuletzt im vergangenen Herbst. In einem umfassenden Maßnahmenpaket beschlossen Boris Johnson und sein Kabinett u. a. die sogenannte „Lifetime Skills Guarantee“ für britische Bürger:innen. Im Klartext: Erwachsene erhalten ein Leben lang die Möglichkeit, sich – wann immer nötig – mit Kursen weiterzubilden, um neuen Anforderungen in ihrem Job besser gerecht zu werden. Das ist nur ein Teil der Strategie, die Anfang des Jahres noch weiter ausgebaut wurde, um die wirtschaftlichen Folgen von Covid abzumildern und sich für die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts zu wappnen. Zuvor hatten die Briten im April 2020 übrigens schon ihr „Skills Toolkit“ gelauncht: ein kostenloses Online-Lernangebot mit Fokus auf digitale und mathematische Fähigkeiten. Von Microsoft Office Basics bis zu Cloud Computing und Coding ist hier für jedes Vorkenntnis-Level das passende dabei. Man mag von Johnsons Brexit-Politik halten, was man möchte, aber dieser Vorstoß überzeugte mich schon damals sehr! Mit ähnlichen Maßnahmen könnten wir sicher auch hierzulande dem Qualifizierungsmangel noch adäquater begegnen.

Wichtigster Schritt: Förderungen in Deutschland bekannter machen

Es ist aber nicht so, als hätte die Bundesregierung das Thema überhaupt nicht auf der Agenda. Es gibt gute Möglichkeiten für die Förderung von Um- und Neuqualifizierung, die Privatpersonen genauso wie Unternehmen nutzen können. Die Krux ist: Das wissen viele einfach nicht! Durch den Reskilling Index haben wir erfahren, wie wichtig es ist, die Anreize aus der Politik zu kennen: Gut 68 Prozent der Befragten gaben an, ihre Mitarbeitenden in digitalen Kompetenzen qualifizieren zu wollen, sofern der Bund mehr als die Hälfte der Kosten übernimmt.

Tatsächlich trägt die Bundesagentur für Arbeit bei großen Unternehmen etwa die Hälfte, bei kleinen und mittleren Unternehmen sogar bis zu 100 Prozent der Reskilling-Kosten. Eingeschlossen sind dabei nicht nur Ausgaben für Maßnahmen, sondern auch die anfallenden Lohn- und Gehaltskosten. Und jetzt kommt es: Sage und schreibe 55 Prozent der Befragten, also mehr als die Hälfte (!), haben davon keine Ahnung. Besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt das Wissen über die Fördermöglichkeiten – dabei würden sie am meisten profitieren. Das können und dürfen wir nicht hinnehmen. Ich persönlich werde erst aufhören, über dieses Thema zu sprechen, wenn auch die letzten Entscheider:innen verstanden haben, dass wir bei digitaler Um- und Weiterbildung anpacken müssen. Und dass sie jede Menge professionellen Support und finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen können, um sich für die Welt nach dem Virus zu wappnen. 

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