22 Jun Wo bleibt sie, die digitale Bildungsrevolution?
Wo bleibt sie, die digitale Bildungsrevolution?
Nach mehreren Wochen Schulschließungen und Home Schooling zieht das Deutsche Schulbarometer Spezial eine erste Bilanz, deren Ergebnisse bestenfalls die Schulnote mangelhaft verdienen. Zugegeben, ganz so unerwartet kommt das nicht, denn sowohl Schulen als auch die Politik wissen nicht erst seit gestern, dass die Versetzung unseres Bildungssystems in das digitale Lernzeitalter auf der Kippe steht. Dabei könnten ein paar Nachhilfestunden von unseren nordischen EU-Partnerländern oder auch Neuseeland sicherlich nicht schaden.
Mit dem Testlauf „Unterricht auf Distanz“ kommt mit der von der Robert-Bosch-Stiftung in Kooperation mit der ZEIT bei der Forsa in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage bei Lehrer*innen wieder einmal ein lange und viel diskutiertes Handlungsfeld im deutschen Bildungskurs auf das Tablett: die miserable technische Ausstattung unserer Schulen.
Und raus bist du…
Wenn allerdings für 28% der Schüler*innen der Zugang zu Bildung während der Schulschließungen schon allein daran scheiterte, weil sie keinen Zugang zum Internet oder zu technischer Ausstattung haben, ergibt das auch ein niederschmetterndes Bild, wie es um die Chancengleichheit in Deutschland bestellt ist.
Und ich frage mich einmal mehr, wo eigentlich die vielbeschworene digitale Bildungsrevolution bleibt. Wo bleiben die Chancen für Kinder und Jugendliche, die auf der falschen Seite der digitalen Kluft stehen? An was liegt es, dass wir in Deutschland immer noch nicht verstanden haben, welchen Stellenwert digitale Bildung für unsere künftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft hat? Wann kommt nach dem Reden das Handeln?
Vorsprung durch Technik
Kinder wissen schon sehr früh, auf welcher Seite der digitalen Kluft sie stehen. Sie kennen vielleicht nicht deren Auswirkung auf ihre Bildung und ihre berufliche Zukunft, aber sie wissen es. Schüler*innen, die Zugang zu Technik haben, im Umgang mit Apps & Co. geübt sind und darüber Wissen aufbauen konnten, starten heute bereits in der Grundschule mit einem Vorteil gegenüber denen, für die das unerreichbar ist. Die Kinder ohne Zugang sind bereits im Rückstand.
Das ist nicht hypothetisch, sondern Alltag an deutschen Schulen. Die Technologie ist in den vergangenen Jahrzehnten allgegenwärtiger und fortschrittlicher geworden, so dass sie auch für die Entwicklung, Bildung und Vorbereitung eines Kindes auf das Erwachsenenalter immer notwendiger geworden ist.
The next generation
Vor 25 Jahren bedeutete die digitale Kluft das Fehlen grundlegender Computerkenntnisse, wie der Umgang mit Word, Excel oder PowerPoint. Heute müssen Schüler*innen – vor allem an weiterführenden Schulen – über weit fortgeschrittene, technologische Fähigkeiten verfügen und mit einer Vielzahl von digitalen Werkzeugen vertraut sein. Das reicht von Videobearbeitung über Robotik bis hin zu Programmiersprachen. Auch der richtige Umgang mit sozialen Medien gehört zum neuen, kleinen Einmaleins und will gelernt sein.
Tatsächlich aber, wird auch das bald nicht mehr ausreichen. Virtual und Augmented Reality, Künstliche Intelligenz und andere neue Technologien werden die digitale Kluft weiter vertiefen, da die Jobs der Zukunft noch stärker technologiegetrieben sind, digitale Kompetenzen erfordern und unser Bildungssystem nicht in der Lage ist, mitzuhalten.
(K)eine Revolution auf Strategiepapieren
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Natürlich ist es richtig und auch wichtig, über Wissenssilos hinweg darüber nachzudenken, wie unsere Welt morgen aussehen wird, welche Kompetenzen die nächste Generation haben muss und wie wir sicherstellen, dass alle die Chance haben, diese zu erlernen.
Doch Revolutionen finden nicht auf Strategiepapieren statt, sondern durch Veränderungen. Direkt vor unserer Haustür findet gerade die 4. Industrielle Revolution statt und fordert nicht mehr nur länger Diskussionen, sondern echte Zukunftslösungen von unserem Bildungssystem und der Politik ein.
Wie viele Weckrufe brauchen wir eigentlich noch? Wenn wir Schüler*innen auf die digitale Zukunft vorbereiten und für uns alle eine digital integrative Gesellschaft schaffen wollen, müssen wir handeln. Und zwar jetzt!
Lasst uns also endlich aufhören, nur über Chancen und die digitale Bildungsrevolution zu diskutieren, sondern sie endlich dahin bringen, wo eine Revolution hingehört: auf die Straße.