Führen durch Vertrauen

Führen durch Vertrauen – Virtuelle Teams sind die „neue Normalität“

In den letzten Wochen und Monaten hat eine Vielzahl der Beschäftigten in Deutschland – wenn auch ungeplant – an einem großangelegten Experiment teilgenommen: an dem „Arbeiten remote“.

Dabei wurde so mancher Esstisch zum provisorischen Arbeitsplatz und Kämpfe mit der Technik gefochten. Selbst diejenigen, die bereits Homeoffice als flexible Option nutzen und dafür auf die entsprechenden digitalen Tools zurückgreifen, standen vor gänzlich neuen Herausforderungen. Vor allem Mütter und Väter, die von heute auf morgen Job, Kinderbetreuung, Home Schooling und Freizeitaktivitäten an nur einem Ort unter einen Hut bringen mussten, vollbrachten mitunter ziemlich nervenaufreibende Drahtseilakte. 

Jetzt werden durch die Lockerungen die Straßen und öffentlichen Verkehrsmitteln wieder voller, Büros werden hochgefahren und Cafés bereiten sich auf den Mittagsandrang vor. Ist damit das Experiment beendet? Oder ist das erst der Anfang einer Veränderung, die langfristige und dauerhafte Auswirkungen haben wird? 

Experiment mit Langzeitfolgen

Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass obwohl wir uns Stück für Stück in Richtung „neue Normalität“ bewegen, wir schon längst in einer Zeit angekommen sind, in der Arbeit nicht mehr länger ein Ort, sondern eine Handlung ist. Viele Beschäftigte werden möglicherweise nie wieder vollständig in ein klassisches Büroumfeld oder zu traditionellen Arbeitszeiten zurückkehren. Die fortschreitende Digitalisierung macht das möglich und beschleunigt diese Entwicklung. 

Das Experiment Homeoffice war in vergangenen Wochen in fast all meinen Gesprächen mit Kund*innen das am meisten diskutierte Thema. Kann denn mein Team überhaupt die Leistung wie bisher bringen, wenn es von zu Hause arbeitet? Wie halte ich mein Team zusammen und kontrolliere Ergebnisse, wenn wir uns nicht mehr täglich begegnen? Was muss ich verändern und bereitstellen, um ein virtuelles Team zu führen?

Das Umdenken hat bereits begonnen und die Erkenntnis sickert langsam ein: Die Führung von virtuellen Teams im Homeoffice geht anders und basiert auf Vertrauen! 

Vertrauen als Führungsprinzip

Führen remote heißt führen durch Empathie, Motivation, Klarheit und vor allem durch Vertrauen. Denn wenn ich nicht sehen kann, woran mein Team arbeitet und wie Projekte umgesetzt werden, muss ich meinem Team vertrauen können. Mit weniger Face Time müssen Führungskräfte eine aktivere Rolle bei der Organisation der Arbeitsabläufe in ihren Teams übernehmen. Indem sie Richtlinien für und mit ihren Teams aufstellen. Dafür braucht es eine positive Fehler- und Lernkultur – eine in der Teammitglieder gehört werden und Ideen oder Lösungsvorschläge einbringen können. Die Führung über Hierarchie und Kontrolle hat ausgedient. Partizipation, Offenheit und Agilität sind gefragt.

Stolperfalle Nummer eins für virtuelle Teams ist mangelnde Transparenz, die zu Unsicherheit führen kann und damit zu Überlastung, Zeitverlust und nicht wahrgenommenen Chancen. Ziele und Rollen müssen für das gesamte Team klar definiert und kontinuierlich überprüft werden. Insbesondere um Erwartungen und Veränderungen zu managen. Das gemeinsame Ziel, die individuelle Rolle und der eigene Beitrag zum Ergebnis muss allen im Team transparent sein werden, sonst laufen Führungskräfte gerade in einem virtuellen Arbeitsumfeld Gefahr, zum Informations- und Entscheidungsengpass zu werden.

Weg von starren Modellen

Ein remote arbeitendes Team braucht darüber hinaus neue und messbare Erfolgsmaßstäbe. Die Effektivität der Einzelnen kann nicht mehr anhand der im Büro verbrachten Stunden beurteilet werden. Meiner Meinung nach, eine positive und lange überfällige Veränderung.

In unserem, von vielen Unterbrechungen durchbrochenen Arbeitsalltag, sind Beschäftigte nur drei Stunden innerhalb eines normalen Acht-Stunden-Tages produktiv. Einer Studie der Stanford University zufolge sind Menschen, die von zu Hause arbeiten, 13% produktiver als ihre Kolleg*innen im Büro. Wenn man diese Daten hochrechnet, ist davon auszugehen, dass remote arbeitende Teams mehr Zeit zur Verfügung haben – und sie brauchen Führung, wie sie diese Zeit nutzen können. 

Wenn es nicht möglich ist, dass alle eines Teams den gleichen Zeitplan einhalten, ist es unbedingt erforderlich, regelmäßige Zeitblöcke für sich überschneidende und koordinierende Arbeiten zu strukturieren. Feste virtuelle Teamsitzungen stellen sicher, dass alle über entwickelnde Projekte und Prioritäten auf dem Laufenden bleiben. Dazu müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Am Einfachsten lässt sich der Tag entlang der traditionellen Bürozeiten strukturieren. So kann ein Team in die Lage versetzt werden, Arbeitsabläufe zu synchronisieren, Besprechungen zu planen und bei größeren Projekten zusammenzuarbeiten. 

Zuhören statt Mikromanagement

Als Menschen sind wir jedoch darauf programmiert, innerhalb von Sekunden die Augen, Reflexe, Stimmlagen und Hunderte anderer zwischenmenschlicher Zeichen einer Person zu lesen. So verlockend es auch ist, ausschließlich aufgabenorientiert zu kommunizieren, Manager*innen von virtuellen Teams müssen sich in erster Linie Zeit für persönliche Interaktion nehmen und vor allem zuhören.

Was steht auf deinem Plan? Woran arbeitest du gerade? Wo brauchst du Unterstützung von mir? Diese drei einfachen Fragen vermitteln nicht nur Wertschätzung, sondern ermöglichen allen Einzelnen im Team Verantwortung zu übernehmen und ohne falschen Stolz nach Unterstützung zu fragen oder sie anzunehmen. 

So entsteht statt Mikromanagement aus der Ferne, die wichtigste Komponente der virtuellen Führung überhaupt: Vertrauen.

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